Auch in diesem Jahr wurde von der Stadt Offenbach die Neujahrsansprache von Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke veröffentlicht. Unten stehend finden Sie das Video sowie die Ansprache als Text im Wortlaut.
“Liebe Offenbacherinnen und Offenbacher,
wir alle wünschen uns mal wieder ein normales, langweiliges Jahr. Aber 2022, das war schon wieder kein normales Jahr.
Dank intensiver Arbeit gibt es für Offenbach auch äußerst positive Nachrichten. Wir können der Firma BioSpring hier bei uns ein enormes Wachstum ermöglichen, dazu komme ich gleich nochmal. Als erstes denke ich als Oberbürgermeister aber an diejenigen, die nicht mehr wissen, woher Sie am Monatsende das Geld für ihre Rechnungen nehmen sollen.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, hier in Europa, bringt vor allem unendliches Leid in die Ukraine. Die Angst um sein eigenes Leben ist mit nichts zu vergleichen.
Der Krieg wird aber auch als Energiekrieg gegen uns geführt. Deshalb haben wir im Moment die höchste Inflation seit 1951.
Das spüren wir alle, aber ich weiß: am schwierigsten ist die Situation für diejenigen, die hart arbeiten oder ihr Leben lang hart gearbeitet haben, ohne viel Geld zu verdienen. Auch hier in Offenbach. Das macht mir als Oberbürgermeister große Sorgen.
Deshalb gibt es im Moment viele, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen und es gibt mehr Menschen als noch vor einem Jahr, die bei der Tafel, dem Lisbeth-Korb, MMM und anderen sozialen Angeboten in unserer Stadt Hilfe annehmen müssen.
Ich bin froh, dass die Solidarität unter den Offenbacherinnen und Offenbachern so hoch ist – ich habe großen Respekt vor allen, die ehrenamtlich für diese Hilfseinrichtungen arbeiten oder die in den vergangenen Wochen Geld gespendet haben und es hoffentlich auch weiterhin tun werden – danke für diesen Zusammenhalt, er macht mir Mut und er macht mich auch ein wenig stolz auf unser Offenbach!
Die großen finanziellen Fragen, dass es allen gut gehen kann, müssen von Bund und Land geregelt werden. Energiepauschale, Gaspreisbremse und jetzt, ab Januar, werden deutlich mehr Menschen Anspruch auf Wohngeld haben: was auch immer man von den einzelnen Maßnahmen hält, es wird auch in Berlin und Wiesbaden bemerkt, dass etwas getan werden muss.
Bei uns im Kleinen hier in Offenbach gilt: wer weniger Geld hat, kann weniger Einkaufen, wer früher noch in der Gastronomie essen gehen konnte, kann das jetzt vielleicht nicht mehr, wer weniger Geld hat, der überdenkt die Mitgliedschaft im Sportverein oder den Kauf der Eintrittskarte in der Kultur. Doch gerade Kultur ist wichtig für eine stabile Demokratie und die ehrenamtlich Aktiven in den Vereinen leisten Unermessliches für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und vor allem im Sport auch sehr viel für Integration. Wir brauchen diese Vereine in unserer Stadt.
Deshalb helfen auch wir als Stadt da, wo wir das können: wie schon zu Corona haben wir ein Konjunkturpaket aufgelegt, um Sport- und Kulturvereinen, Einzelhandel, Gastronomie und unseren tollen Wochenmarkt zu unterstützen. Darüber hinaus fördern wir Angebote der Caritas und der Diakonie. In den Offenbacher Zeitungen, auf unserer Homepage und auf unseren Social Media Kanälen erfahren Sie dazu alle Details.
Der Krieg zeigt auch, wie wichtig es ist, bei der Energie unabhängiger von anderen Staaten zu sein. Wir werden daher auch hier in Offenbach unseren Beitrag leisten und mehr Solarzellen auf öffentliche Dächer installieren. Wie schnell das geht, hängt von der Verfügbarkeit ab – aber das Ziel ist klar: je mehr regenerative Energie wir auch hier in Offenbach produzieren, desto besser. Das gilt vor dem Hintergrund des Klimawandels doppelt und dreifach. Schon vor langer Zeit hat unsere EVO deshalb auch in großem Stil Windparks gebaut.
Liebe Offenbacherinnen und Offenbacher,
Offenbach ist meine Heimatstadt und ich bin jeden Tag dankbar, hier Oberbürgermeister sein zu dürfen.
Blicken wir auf unsere Stadt, dann muss man sehen: nach jahrzehntelangem industriellen Niedergang ist unsere Stadt immer noch arm.
Das merken wir, wenn wir etwa daran denken, dass wir früher vier Schwimmbäder hatten und das haben wir dieses Jahr auch wieder gespürt, als wir beim Busverkehr im ÖPNV wegen unserer finanziellen Lage einen bitteren Schritt zurück machen mussten. Wir geben zwar erheblich mehr Geld für Busse aus als je zuvor – aber es reicht nicht für das Busangebot, das auch mir wichtig wäre.
Weil es also ganz konkrete Auswirkungen für Ihr Leben hat, kümmere ich mich seit meinem ersten Tag im Amt darum, den jahrzehntelangen Trend in unserer wirtschaftlichen Entwicklung endlich zu brechen.
Viele haben mich anfangs belächelt und gesagt, das ist unmöglich, das kann man gar nicht schaffen. Aber mein fester Wille ist, für Offenbach zu kämpfen.
Richtig ist: sowas geht nur über viele Jahre und nicht schnell.
Aber, schon 2021 gab es eine positive Nachricht, die es für Offenbach so seit langer Zeit nicht mehr gegeben hatte: die Verantwortlichen von Samson haben die Gespräche mit uns überzeugt. Sie haben entschieden, schrittweise ab Ende 2023 bis Ende 2026 nach Offenbach umzuziehen. Samson wird seine neue Firmenzentrale hier errichten und 2.000 Mitarbeitenden werden in einem hochmodernen Werk intelligente Ventiltechnik für die globale Industrie produzieren.
Jetzt, 2022, gibt es erneut eine positive Nachricht, die Offenbach auf Dauer erheblich verändern wird: die Verantwortlichen von BioSpring haben die Gesprächen mit uns ebenfalls überzeugt. Sie haben entschieden, ihr zukünftiges Wachstum hier in Offenbach zu organisieren. Dafür haben sie 40.000 Quadratmeter auf dem Innovationscampus gekauft.
BioSpring zählt zu den Weltmarktführern bei wichtigen Wirkstoffen für Medikamente, etwa gegen Krebs oder bei Wechselstoffkrankheiten. Wir alle sehen in diesen Tagen in unseren Apotheken, wie wichtig es ist, dass Wirkstoffe auch hier in Deutschland produziert werden.
Auch bei BioSpring wird es schrittweise gehen. Ein Anfang wird hier ebenfalls Ende 2023 gemacht, die weiteren Schritte sollen ab 2026 folgen. Am Ende des Jahrzehnts werden alleine bei BioSpring voraussichtlich 1.500 Menschen in völlig neuen Jobs arbeiten. Es soll, nach den heutigen Plänen, hier bei uns in Offenbach eine der größten Produktionsstätten für Wirkstoffe der gesamten Welt entstehen.
Liebe Offenbacherinnen und Offenbacher,
seien Sie ehrlich: wer von Ihnen hätte vor zwei Jahren sein Geld darauf gewettet, dass auf dem Innovationscampus am Ende des Jahrzehnts mehr Menschen arbeiten werden als in den 70ern? Wer hätte darauf gewettet, dass dies in hochmodernen Produktionsarbeitsplätzen der Biotechnologie und der Ventiltechnik passiert?
Auch wenn das alles noch ein paar Jahre dauern wird: Offenbach hat jetzt Perspektiven, die es so sehr lange nicht hatte. Dafür haben wir hart gearbeitet.
Blicke ich auf 2023, gilt meine größte Sorge der Zukunft von Kaufhof – ein Gespräch mit dem Deutschland-Chef von Kaufhof hatte ich schon, eins mit dem Besitzer des Gebäudes ist vereinbart. An keinem Beispiel sieht man deutlicher, dass nicht nur Offenbach, sondern alle Städte Probleme in den Innenstädten haben, weil die Menschen eben viel mehr im Internet kaufen. Deshalb ist klar: die Läden wie früher werden nicht zurückkommen- Wir brauchen neben Geschäften andere Angebote. Wir bauen beispielsweise mit dem Deutschen Wetterdienst ein deutschlandweit einzigartiges Klima- und Wettermuseum auf und wir wollen die Bibliothek als Lernort für Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten zur „Station Mitte“ vergrößern. Außerdem muss die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt besser werden. Das geht beispielsweise mit mehr Grün, so kann eine schönere Innenstadt auch mit dem Kampf gegen den Klimawandel verbunden werden. Beim Marktplatzumbau machen wir das schon, da werden alle Bäume nach dem Schwammstadt-Prinzip gepflanzt, um die trockenen Sommer überleben zu können.
Positiv blicke ich auf 2023 wenn ich daran denke, dass wir so viel Geld für den Bau und die Sanierung unserer Schulen und unserer Kitas ausgeben werden wir nie zuvor. Gute Aussichten für die Bildung unserer Kinder sind wichtig.
In unserem Schwimmbad konnten wir dieses Jahr endlich eine größere, hellere und besser gedämmte Traglufthalle anschaffen. Als nächsten Schritt, auch wenn das 2023 nicht fertig werden wird, geht es damit weiter, dass wir ein neues Umkleide- und Duschgebäude bekommen werden. Auch das sind im Rahmen der Offenbacher Möglichkeiten gute Aussichten.
Zum Schluss, liebe Offenbacherinnen und Offenbacher, gilt am Ende dieses Jahres: auch wenn das alles in 2023 noch keine Auswirkung hat: Offenbach hat jetzt Perspektiven, die es sehr lange nicht hatte. Das gilt wegen den schon erwähnten Samson und BioSpring mit weltweiter Bedeutung, aber auch wegen der vielen weiteren Unternehmen die kommen werden oder in Offenbach wachsen wollen, wie etwa der eBike Champion Advanced, der Automobilhersteller Genesis oder der Kommunikationsspezialist TMS.
Es ist jetzt noch viel Arbeit nötig, diese Perspektiven in den kommenden Jahren Wirklichkeit werden zu lassen.
Bürgermeisterin Sabine Groß, Stadtrat Paul-Gerhard Weiß und Stadtkämmerer Martin Wilhelm werden zusammen mit mir als Oberbürgermeister daran arbeiten, diesen Weg für Sie im kommenden Jahr konsequent fortzusetzen.
In diesem Sinne wünsche Ihnen und Ihren Familien Gesundheit, ein frohes Neues Jahr und ich hoffe, dass Sie privat ein gutes 2023 haben werden.“