In früheren Zeiten, als die Fußball-Bundesliga mitunter noch spannend, weil nicht komplett von den Bayern dominiert war, übernahm Eintracht Frankfurt gern mal die Rolle des barmherzigen Samariters. Wann immer nämlich ein anderer Klub abgeschlagen das Tabellenende zierte, überließ die damalige „launische Diva“ vom Main den Mühseligen und Beladenen der Kicker-Zunft selbstlos die Punkte.
Einen solch ungewöhnlichen Akt gelebter Solidarität haben nun auch die 1. Herren der HSG Rodgau Nieder-Roden hingelegt. Zum Auftakt der Rückrunde traten die „Baggerseepiraten“ am Samstag bei der DJK Waldbüttelbrunn an, dem bis dato punktlosen Schlusslicht der 3. Liga Südwest. Tabellenletzter sind die Unterfranken zwar auch nach diesem Spieltag weiterhin – aber nun haben sie dank eines vollauf verdienten 32:30-Sieg über die Gäste aus Südhessen die ersten beiden Pluspunkte auf ihrem Konto.
Noch tags darauf war HSG-Trainer Jan Redmann restlos bedient, wenn er über die Darbietung seiner zu Aufbauhelfern mutierten Schützlinge sprach: „Das war die peinlichste Leistung, die ich in 25 Jahren als Trainer gesehen habe.“ Was den erfahrenen Coach vor allem auf die Palme brachte, war die Tatsache, dass er das Unheil hatte kommen sehen. „Ich habe die Mannschaft direkt vor dem Spiel noch mal davor gewarnt, den Gegner zu unterschätzen, da er nichts mehr zu verlieren hat und befreit aufspielen kann“.
Doch sein Team ließ dann auf dem Spielfeld fast alles vermissen, was in dieser ausgeglichenen Liga für einen Erfolg selbst über den abgeschlagenen Tabellenletzten vonnöten ist: Konzentration, Einstellung, Kampfkraft, Kompromisslosigkeit in der Abwehr, Effizienz im Abschluss. Zwar zeigte auch der Gegner keine überragende Leistung, aber Waldbüttelbrunn agierte laut Redmann „sehr diszipliniert, hat die Angriffe lange ausgespielt und sie sehr häufig mit einem Torerfolg beendet“. Dennoch lagen die Gäste bis kurz vor der Halbzeit meist in Führung, aber weil ihnen dann noch zwei dumme Fehler unterliefen, hatten die Hausherren zur Pause mit 12:10 die Nase vorn.
Direkt nach dem Seitenwechsel vergaben die „Redmänner“ zwei völlig freie Würfe und waren auch in der nun etwas offeneren Deckung nicht gedankenschnell genug, sodass sich die Gastgeber auf 17:13 absetzen konnten. Und es kam noch schlimmer für die Gäste, die ab der 36. Spielminute auf Henning Schopper verzichten mussten, der einem Gegenspieler bei einem Konter in die Beine gelaufen war und deshalb „völlig berechtigt“ (Redmann) die Rote Karte gesehen hatte: Waldbüttelbrunn baute den Vorsprung auf 20:14 (39.) beziehungsweise 28:23 (55.) aus und schien einem ungefährdeten Sieg entgegenzusteuern.
Doch dank einer bei doppelter Überzahl praktizierten Manndeckung erzielten die Rodgauer vier Treffer in nur anderthalb Minuten, und beim 28:27 knapp vier Minuten vor dem Ende hätte die Partei noch einmal kippen können. Doch die Gastgeber machten spätestens mit dem 31:28 (59.) den Sack zu und die vor dem Spiel haushoch favorisierten „Baggerseepiraten“ zur Lachnummer der Liga.
Jan Redmann wollte sich dann – anders als sonst – auch gar nicht vor sein Team stellen: „Es fehlt auf einigen Positionen an Alternativen, manchen Spielern auch einfach an Qualität und der gesamten Mannschaft eine ordnende Hand auf dem Feld, die Ruhe reinbringt.“ Was den Rodgauer Übungsleiter aber am meisten störte, war die mangelnde Konzentration. „Und das ist uns nicht zum ersten Mal gegen einen vermeintlich schwächeren Gegner passiert.“ Explizit aus seiner Generalabrechnung heraus nahm Redmann nur die beiden A-Jugendlichen Ben Seidel, mit 10 Treffern(!) bester Werfer der HSG, und den zweifachen Torschützen Nick Weiland. „Sie haben das gezeigt, was bei fast allen anderen gefehlt hat, nämlich Leidenschaft, Einsatz und der Wille, sich zu quälen und dorthin zu gehen, wo es auch mal wehtut“, so der eigenen Angaben zufolge „unfassbar enttäuschte“ Trainer.
In der Tabelle belegen die Redmann-Schützlinge mit nunmehr 16:12 Zählern zwar weiterhin Rang 5, doch um die bis zur Winterpause angepeilten 20 Pluspunkte zu erreichen und nicht noch mit den hinteren Gefilden des Tableaus in Kontakt zu kommen, sind nun zwei Siege bis Weihnachten Pflicht. Die erste Chance zur Wiedergutmachung für die Blamage in Waldbüttelbrunn haben die HSG-Cracks am Samstag, 10. Dezember, wenn sie ab 19.30 Uhr in der heimischen Rodaustrom Sportarena die mHSG Friesenheim-Hochdorf II empfangen. Im Hinspiel hatten die Rodgauer eine unnötige 22:25-Niederlage kassiert, sodass auch aus diesem Grund Revanche angesagt ist.
Es spielten gegen Waldbüttelbrunn: Marco Rhein (TW), Philipp Hoepffner (TW), Philipp Keller (3/3), Ben Seidel (10), Felix Mann (1), Simon Brandt (1), Henning Schopper (3/2), Nick Weiland (2), Florian Stenger, Niklas Roth, Philip Wunderlich, Johannes von der Au (2), Benedikt Gräsl (3), Filip Brühl (4) und Niklas Geck (1).
Quelle: Pressemeldung HSG Rodgau